19.12.2021 Interview

„Das Förderprogramm kam für uns wie gerufen“

Alternativtext UKL/ Stefan Straube
Verstärkung aus dem Ausland: Die ersten philippinischen Pflegekräfte arbeiten seit Oktober 2021 am Universitätsklinikum Leipzig.

Mit der Anwerbung von Pflegekräften aus den Philippinen betritt das Universitätsklinikum Leipzig Neuland. Welche Hürden es dabei zu überwinden galt und wie sich die Klinik auf die neuen Kolleginnen und Kollegen vorbereitet hat, erklärt Kerstin Voigt, Geschäftsführende Pflegerische Departmentleitung, im Interview.

Die Corona-Pandemie hat den Fachkräftemangel in der Pflege verschärft. Wie ist die aktuelle Situation in Ihrem Haus?

Kerstin Voigt: Am Universitätsklinikum Leipzig spüren wir den Pflegenotstand noch nicht so stark wie in anderen Krankenhäusern. Zum einen ist die Stadt Leipzig ein Anziehungspunkt gerade für junge Leute, zum anderen haben wir hier nicht so eine hohe Krankenhausdichte und damit weniger Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt. Wir befürchten aber, dass insbesondere durch die veränderte generalistische Pflege-Ausbildung künftig in einzelnen Fachbereichen deutliche Engpässe entstehen werden, vor allem in der Kinderkrankenpflege und in internistischen Abteilungen. Hinzu kommt, dass in absehbarer Zeit einige Pflegekräfte aus unserem Haus in den Ruhestand gehen. Dafür wollen wir gewappnet sein und haben mit der Anwerbung internationaler Pflegekräfte begonnen.

Seit wann ist das für Sie ein Thema und welche Erfahrungen haben Sie bisher mit der Anwerbung im Ausland gesammelt?

Kerstin Voigt: Wir beschäftigen uns seit mehreren Jahren mit dem Thema. Zunächst haben wir uns mit anderen Kliniken über deren Erfahrungen ausgetauscht. Im Jahr 2019 haben wir dann eine große Ausschreibung angestoßen. Im Oktober dieses Jahres konnten wir die erste Gruppe philippinischer Pflegekräfte begrüßen. Die zweite Gruppe erwarten wir Anfang 2022. Insgesamt haben wir 22 Pflegekräfte aus den Philippinen angeworben. Das ist absolutes Neuland für uns. Aber wir sind voller Enthusiasmus. Die ersten Wochen mit den neuen Kolleginnen und Kollegen stimmen uns auf jeden Fall sehr positiv.

Was hat Sie motiviert, am  Förderprogramm „Faire Anwerbung Pflege Deutschland“ des Bundesgesundheitsministeriums teilzunehmen?

Kerstin Voigt: Das Programm kam für uns mitten in der Bewerbungsphase wie gerufen. Es hat uns die Arbeit bei der Anwerbung der zweiten Gruppe von insgesamt elf Fachkräften deutlich erleichtert. Die bürokratischen Prozesse wie Absprachen mit den Behörden im Heimatland, der Abschluss der Arbeitsverträge oder auch die Regelung der Ausreisemodalitäten liefen dadurch schneller. Wir wurden dabei von einer Agentur unterstützt, die das Gütesiegel für faire und transparente Anwerbung trägt, das für die Teilnahme am Programm Voraussetzung ist. Dieser ethische Aspekt des Förderprogramms war für uns auch extrem wichtig.

Insgesamt haben wir 22 Pflegekräfte aus den Philippinen angeworben. Das ist absolutes Neuland für uns. Aber wir sind voller Enthusiasmus. Die ersten Wochen mit den neuen Kolleginnen und Kollegen stimmen uns auf jeden Fall sehr positiv.


Kerstin Voigt, Geschäftsführende Pflegerische Departmentleitung

Wo und wie kommen die philippinischen Pflegekräfte zum Einsatz?

Kerstin Voigt: Die neuen Kolleginnen und Kollegen können mitentscheiden, in welchem Fachgebiet sie eingesetzt werden. Zunächst haben sie den Status von Pflegehilfskräften und werden Stück für Stück an den Berufsalltag in unserer Klinik herangeführt. Im Frühjahr machen sie dann eine so genannte Kenntnisstandprüfung. Unser Ziel ist natürlich, dass wir im Anschluss allen neuen Pflegekräften eine Festanstellung anbieten können.

Eine Voraussetzung dafür ist auch, dass sich die internationalen Pflegekräfte hier in Deutschland wohlfühlen und dauerhaft bleiben wollen. Was macht Ihr Haus für eine gelungene Integration?

Kerstin Voigt: Es gibt bei uns zwei Kolleginnen, die sich ausschließlich um die philippinischen Pflegekräfte kümmern. Sie haben schon das Bewerbungsverfahren mit begleitet. Jetzt besuchen sie die bereits Angekommenen wöchentlich auf den Stationen und vermitteln auch bei Startschwierigkeiten. In den Stationen selbst stehen den neuen Kolleginnen und Kollegen zudem Paten zur Seite, die sich neben den beruflichen Fragen auch in ihrer Freizeit um sie kümmern. Die Paten unterstützen bei der Wohnungssuche, bei Bankgeschäften und weiteren Dingen des alltäglichen Lebens. Auch an Heilig Abend muss niemand alleine zu Hause bleiben.

Gibt es Unterschiede zwischen der pflegerischen Arbeit hier und auf den Philippinen?

Kerstin Voigt: Auf den Philippinen übernehmen die Angehörigen viele Aufgaben bei der Krankenversorgung selbst wie Waschen oder Ernährung. Das sind dort keine Aufgaben für Pflegekräfte. Das müssen die Kolleginnen und Kollegen natürlich erst einmal lernen. Und sie müssen sich auch an den hiesigen Sprachgebrauch gewöhnen. Wir stellen den philippinischen Pflegekräften hierfür eine App zur Verfügung, mit deren Hilfe sie neue Begriffe schnell übersetzen können.

Wie reagieren die anderen Pflegekräfte auf die Neuankömmlinge? Gibt es auch Vorurteile?

Kerstin Voigt: Wir haben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon im Vorfeld in den Anwerbeprozess mit einbezogen, zum Beispiel bei der Auswahl der Region. Dabei ist die Wahl auf die Philippinen gefallen. Dort ist der Ausbildungsstandard für Pflegeberufe qualitativ sehr hochwertig und bereits auf internationale Anforderungen ausgerichtet. Viele unserer neuen Kolleginnen und Kollegen haben schon zuvor im Ausland gearbeitet, etwa in Saudi-Arabien. Wir freuen uns sehr über diese Verstärkung.